Auf Immobilien entfällt rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen: Blick auf die Innenstadt von Stuttgart.
Seit der Wiedervereinigung hat der Immobiliensektor seine Treibhausgas-Emissionen fast halbiert. Doch was wie ein großer Erfolg klingt, reicht nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. Erst gerade hat das Umweltbundesamt berichtet, dass der Gebäudesektor diese wohl auch im vergangenen Jahr verfehlt hat. Damit bleibt er gemeinsam mit dem Verkehr das Sorgenkind der hiesigen Klimapolitik.
Laut ersten Berechnungen sanken die Immobilienemissionen 2022 um knapp sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Kohlendioxid und andere Treibhausgase) auf rund 112 Millionen Tonnen. Die erlaubte Jahresemissionsmenge lag laut Bundesklimaschutzgesetz bei 107,4 Millionen Tonnen. Es wären folglich erheblich stärkere Treibhausgasminderungen erforderlich gewesen.
Emissionsminderung 2022 sind hauptsächlich externen Effekten geschuldet
Hinzu kommt: Selbst die erzielten Minderungen sind laut der Behörde weniger den ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand zu verdanken als vielmehr dem milden Winter und den höheren Energiepreisen, die manche Unternehmen und Menschen zum Sparen veranlasst haben. Beide Effekte könnten in der Zukunft zu einem Wiederanstieg der Emissionen führen.
Je länger der Immobilienbereich über dem vorgesehenen Dekarbonisierungspfad liegt, desto größer wird der Handlungsdruck auf den Sektor: Bisher nicht erreichte Minderungen müssen in der Zukunft nachgeholt werden – zusätzlich zu den ohnehin vorgegebenen Einsparungen.
„Es wird Zeit, dass die Immobilienbranche endlich nicht mehr der Regulierung hinterherrennt, sondern in die Umsetzung der Emissionsminderung kommt und damit transitorische Risiken abbaut“, mahnt Immobilienexperte Hunter Kuhlwein. Er betreut am Institut für Immobilienökonomie in Wörgl, Österreich, den von der EU geförderten Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM).
Ohne die Dekarbonisierung der Immobilien verfehlt die EU ihre Klimaziele
Der Fachmann weist daraufhin, dass in den Zahlen des Umweltbundesamtes nur die Emissionen aus direkter Verbrennung von fossilen Brennstoffen in Gebäuden enthalten ist – also hauptsächlich vom Heizen. Damit sind Emissionen aus dem Bezug von Fernwärme, von Elektrizität sowie aus der Bautätigkeit noch nicht enthalten.
Auf Immobilien entfallen laut der EU-Kommission zwei Fünftel des Energieverbrauchs und mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen: Der Sektor spielt folglich eine entscheidende Rolle für die EU-Klimaziele. Um diese zu erreichen, muss der Gebäudebestand energetisch saniert werden.
Niederlande verbieten Vermietung von Büroimmobilien mit schlechter Klimabilanz
Für viele Immobilienbesitzer stellen die Klimaziele damit ein wirtschaftliches Risiko dar. Sie sehen sich mit potenziellen Wertminderungen und vorzeitiger Veraltung ihrer Investitionen konfrontiert. Immobilien, die künftige Energieeffizienzstandards nicht erfüllen und deren energetische Sanierung finanziell nicht tragfähig ist, könnten laut CRREM stranden.
Wie das in der Praxis aussehen könnte, kann man in den Niederlanden schon beobachten: Dort gilt seit diesem Jahr ein Vermietungsverbot für Büroimmobilien, die den dortigen Energiestandard C nicht erfüllen. Obwohl der Standard nicht ambitioniert ist, trifft das Verbot aktuell laut Savills Research Amsterdam ein Zehntel der Bürofläche der Niederlande. In acht Jahren dürfen dann nur noch Büroflächen vermietet werden, die den Energiestandard A erfüllen.
Das Verbot hat die Immobilienbranche aufgerüttelt. Nicht, weil es besonders streng wäre, sondern weil es verdeutlicht, wie sehr die Branche von Klimawandel und Klimaschutz betroffen ist und dass sich diese Risiken wirtschaftlich materialisieren können.
EU-Parlament macht Druck für energetische Sanierungen
Der Druck aus Brüssel auf den Sektor nimmt derweil zu. Das EU-Parlament hat vergangene Woche (14. März) eine Forderung verabschiedet, wonach es ab 2028 nur noch emissionsfreie Neubauten geben und die Renovierungsquote steigen soll.
Auf einer Skala von A bis G sollen Nichtwohngebäude bis 2030 mindestens den Standard D erreichen. Die Erfüllung dieser Anforderung durch eine bessere Dämmung oder effizientere Heizungsanlage soll dann notwendig werden, wenn Gebäude verkauft oder in größerem Maßstab renoviert werden oder wenn ein neuer Mietvertrag unterzeichnet werden soll.
Unternehmensinitiative Deneff fordert Gesamtkonzept der Bundesregierung
„Energetische Modernisierungen werden nun unabdingbar, der bisher oft gesetzte alleinige Fokus auf erneuerbare Heiztechnologien wird hiermit sinnvoll ergänzt“, findet Christine Damke, Partnerin des auf zukunftsfähige Immobilien spezialisierten Investors BeyondBuild. Positiv am neuen Instrument sei, dass dadurch die Gebäude mit dem höchsten Energieverbrauch bei der Modernisierung vorrangig behandelt würden.
„Mit der EU-Richtlinie am Horizont ist es für die Bundesregierung höchste Zeit, ein stimmiges Gesamtkonzept zur Erreichung der Klimaneutralität des Gebäudesektors und für bezahlbare Wärme aufzustellen, welches die energetische Sanierung als notwendigen Komplementär zu erneuerbaren Heiztechnologien berücksichtigt”, so Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff).
Fachleute: Sanierung geht vor Neubau
Der Schlüssel für klimafreundlichere Immobilien liegt nach einhelliger Einschätzung der Fachleute in der Sanierung und Optimierung des Bestandes. „Im Vergleich dazu ist der Hebel im Neubau zur CO2-Einsparung durch energetische Gebäudestandards weitaus schwächer, weniger kosteneffizient und auch in der Gesamt-Ökobilanz nachteilig“, so der Zentrale Immobilien Ausschuss.
Ohnehin sind die Neubau- und Sanierungsmöglichkeiten durch das verbleibende Emissionsbudget begrenzt. Dieses könnte bereits 2034 aufgezehrt sein, so Robert Kitel, Head of Sustainability & Future Research beim Immobilienmanager alstria REIT. Jedenfalls dann, „wenn wir in der gleichen Art und der gleichen Größenordnung weiter bauen“. Damit das Budget bis 2045 gestreckt werden kann, empfiehlt er, den Anteil der Sanierungen zu vervierfachen und den Anteil der Neubauten auf ein Drittel zu senken. Außerdem müssten die verbauten Emissionen halbiert werden.
Dekarbonisierung als Voraussetzung für den Werterhalt von Immobilien
Unter den gegebenen Bedingungen sieht Manuel Ehlers, Head of Sustainable Property bei der Triodos-Bank, den „Klimaschutz als Voraussetzung für Wirtschaftlichkeit und Werterhalt von Immobilien“. Ein freundlicher Hinweis an Immobilienbesitzer, mit der Dekarbonsierung ihrer Gebäude dafür zu sorgen, dass diese ihren Wert auch in Zukunft behalten.
Melden Sie sich für unsere kostenlose Immobilien-Masterclass (digital) an.