Stefanie Pionke zum Haushaltsstreit in den USA
Stell Dir vor es ist 18 Uhr am Wasde-Tag und es passiert - nichts. Was absurd klingt, wird an diesem Freitag eintreten. Denn die Statistiker im US-Agrarministerium gehören zu jenen rund 800.000 Staatsbediensteten in den Vereinigten Staaten, die im Zuge des Haushaltsstreits zwischen Republikanern und Demokraten in den Zwangsurlaub geschickt wurden. Analysten auf dem ganzen Globus, die regelmäßig ihrer monatlichen Wasde-Dosis entegegenfiebern, werden nun auf Entzug gesetzt. Wie viele Sehenswürdigkeiten in den USA ist auch der sonst für jedermann im Internet frei verfügbare Zugang zu den Wasde-Daten „vorrübergehend geschlossen“.
Internationalen Analysten und Marktteilnehmern fehlt somit eine Orientierungsmarke in den vielschichtigen globalen Agrarrohstoffmärkten. In den Tagen vor Bekanntgabe der neuen Wasde-Daten veröffentlichen Nachrichtenagenturen üblicherweise ihre Analysten-Vorschätzungen. In diesen Umfragen teilen Marktbeobachter ihre Einschätzung, wie hoch oder niedrig das USDA denn wohl in dem Marktbericht die US-Mais- oder Sojaernte oder die Weizenendbestände beziffern dürfte. Ausgehend von diesen Vermutungen was das USDA wohl schätzen könnte, bilden sich die Preise an den Agrarbörsen. Weicht das USDA von diesen Markterwartungen ab, hat das in der Regel – zumindest kurzfristige – Preisausschläge an der Börse in Chicago und manchmal auch in Paris zur Folge.
Dass sich rund um die Wasde-Zahlen bereits solche ritualisierten Marktabläufe gebildet haben, zeigt, wie wichtig der monatliche USDA-Bericht für den Markt ist – auch wenn manch ein Spökenkieker nicht müde wird zu betonen, das Ministerium mache mit den Zahlen „Politik“, wolle etwa mit unerwartet hohen Sojavorräten die Preise entspannen. Zu solchen Verschwörungstheorien mag sich jeder selbst eine Meinung bilden. Und egal, ob man nun die Zahlen des USDA ernst nimmt, oder nicht – ignorieren kann sie keiner, der ernsthaft mit Getreide und Ölsaaten im Geschäft ist.
Wie wird der Markt nun damit zurecht kommen, auf sich selbst gestellt zu sein? Nun, unter deutschen Marktbeteiligten macht auch der eine oder andere Scherz die Runde: So sagte ein Makler, das Ausbleiben der Wasde-Zahlen wirke „befreiend“ auf das Marktgeschehen. Denn Käufer und Verkäufer könnten nun nicht, wie sonst üblich, zwei Tage vor Veröffentlichung der Daten die Hände in den Schoß legen und sich in die Beobachterposition zurückziehen, bevor sie wieder aktiv werden. Da sie nun nicht den USDA-Bericht und dessen Auswirkung auf die Märkte abwarten müssten, könnnten sie ungehindert weiter kaufen und verkaufen. Analysten wiederum, die ihre Marktbeurteilung zu nicht unwesentlichen Teilen auf das Washingtoner Zahlenwerk stützen, müssen sich wohl zumindest für diesen Monat neue Orientierungshilfen suchen.
Klar, gehandelt und gepreist wird weiter – auch ohne Wasde. Ganz abgesehen davon kann man das Schauspiel, das die US-Politik momentan aufführt, nur noch als absurdes Theater bezeichnen. Bleibt zu hoffen, dass das Warten auf den nächsten Wasde weniger vergeblich ausfällt als das "Warten auf Godot".
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