Dr. Angela Werner zur Gentechnik in Deutschland
Die Grüne Gentechnologie in Europa ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Dass der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in Europa und in Deutschland schon lange keine Chance mehr hat, ist nicht neu. Bislang haben zumindest die Wissenschaftler noch ihre Fahne hochgehalten, um wenigstens wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln zu können, ob und in welcher Weise der Einsatz von GVO negative Auswirkungen hat. Nun haben aber auch französische Wissenschaftler aufgegeben und ihre Versuchsfelder mit gentechnisch veränderten Pappeln umbrochen. Doch wenn jetzt selbst Forscher die Lust verlieren, weil ihnen die politische Unterstützung fehlt, grenzt sich Europa und auch Deutschland vollständig aus - insbesondere in punkto Gentechnik-Forschung und Bildung.
In Deutschland finden schon lange kaum mehr Feldversuche statt. Nicht nur, weil sie ständig von Gentechnik-Gegnern zerstört wurden, sondern auch weil die Politik sie nicht wirklich unterstützt hat. Wie gespalten die Haltung zur Grünen Gentechnik ist, zeigt sich an der jüngsten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zur „Forschungsförderung des Bundes für die Agrogentechnik". Ganz klar ausgeklammert ist in der Förderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums die Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren. Die Aktivitäten seien auf sicherheitsrelevante Fragestellungen ausgerichtet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hingegen fördere die Pflanzenforschung methodenoffen und die Förderbekanntmachungen seien technologieoffen gestaltet - also doch auch die Entwicklung von GV-Pflanzen oder was?
Wie ideologisch geprägt Politik sein kann, zeigt sich bei den Kontroversen um das Schullabor-Projekt HannoverGEN in Niedersachsen, wo Schüler sehr viel zu verschiedenen Themen wie Evolution, Krebsforschung oder Bioinformatik bis hin zu biotechnologischen Methoden erfahren können. Noch 2011 wurde das Projekt als „Innovativer Ort im Land der Ideen" ausgezeichnet. Jetzt wird unter der rot-grünen Regierung über die Schließung des Schülerlaborprojekt debattiert: Es sei ausschließlich auf Grüne Gentechnik fokussiert. Gegen diesen Vorwurf wehren sich die das Projekt begleitenden Wissenschaftler vehement. Mitunter wird sogar diskutiert, die Inhalte des Projektes auf medizinische oder industrielle Anwendungen - also der „roten" und „weißen" Gentechnik zu verlagern. Im Klartext heißt das wohl ohne grüne Gentechnik.
Klammert man jedoch einzelne Aspekte einer Technologie aus, verhindert man eine ideologiefreie und faktenbasierte Auseinandersetzung in den Schulen und schlussendlich in der Gesellschaft und dies schürt nicht zuletzt Technologiefeindlichkeit. Forschende Unternehmen in Deutschland haben aus wirtschaftlicher Sicht schon lange ihre Konsequenzen daraus gezogen - Monsanto ist das jüngste Beispiel. Biotechnologie-Forschung für Anwendungen in der Landwirtschaft findet fast ausschließlich außerhalb Europas statt. Und damit wandern auch die klugen wissenschaftlichen Köpfe ab. Europa und auch Deutschland geht wertvolles Know-how verloren. Kann sich eine Gesellschaft diesen Verlust an Kompetenz wirklich leisten? Das könnte sich irgendwann rächen.
Denn die Welt außerhalb Europas dreht sich in punkto Gentechnik immer schneller. Die Landwirte wollen nicht auf GVO verzichten und der Anbau von GV-Pflanzen nimmt immer noch zu. Und während sich die EU-Mitgliedstaaten noch nicht einmal über GVO-Zulassungen für den Import einigen können, drücken andere Staaten auf die Tube. Argentinien will beispielsweise Zulassungen für den Anbau von GVO künftig noch beschleunigen. Es wird allerhöchste Zeit, dass sich Europa und damit auch Deutschland mit ihrer gespaltenen Haltung auseinandersetzen und Forschung sowie Bildung in ihrer Breite zulassen und fördern - sonst grenzt sich Europa selbst von wissenschaftlichem Fortschritt und auch wirtschaftlichem Erfolg aus.
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