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Dr. Jürgen Struck zum Internet im ländlichen Raum

"Hääh, bin ich da schon drin? Oder was ?" - Pause - "Ich bin drin - das ist ja einfach". Diese Worte sprach mit staunendem Gesichtsausdruck die Tennislegende Boris Becker in der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) des Internets im Jahre 1999, und damit im vergangenen Jahrtausend. Die Altsteinzeit (Paläolithikum) des Internets begann wenige Jahre zuvor, im August 1991. Heute blicken wir auf 25 Jahre Internet zurück.

In dem Werbespot des US-amerikanischen Medienkonzerns AOL musste Becker eine CD in den Tisch-PC einführen und sich dann mit Mühe den Anschluss einrichten. Zur damaligen Zeit lag der Anteil der Nutzer des Internets bei etwa 30 Prozent, heute sind es etwa 80 Prozent. Begleitet wurde diese Entwicklung von weiteren technischen Neuerungen wie das Smartphone.

Es ist wohl kaum übertrieben festzustellen, dass die Summe dieser Entwicklungen die Art unseres Zusammenlebens tatsächlich in revolutionärer Weise verändert hat und - viel wichtiger - noch verändern wird. Alle Bereiche der Gesellschaft werden beeinflusst. Die Wirtschaft, die Informationsvermittlung über Medien, schulische und weiterführende Ausbildung, die Kommunikation, die politische Meinungsbildung und was auch immer.

Soweit so gut. Wer sich an diesen Prozessen nicht aktiv beteiligt, wird abgehängt werden. Doch Voraussetzung dafür ist, sich beteiligen zu können. Und da sieht es in vielen Gegenden nicht rosig aus. Für Unternehmen ohnehin, jedoch auch für Privatleute wird der Anschluss an eine schnelle Datenverbindung zum alles entscheidenden Standortfaktor. Der private Immobilienbesitzer kann sich glücklich schätzen, wenn sein Haus zufällig an einer Route für den schnellen Datentransfer liegt. Dies konnte er vor seiner Entscheidung für den Besitz häufig nicht wissen. Heute ist die Übertragungsrate ein wertbestimmender Bestandteil des Kauf- oder Verkaufspreises. Dabei ziehen sich die Grenzen sogar durch einzelne Kommunen oder Stadtteile.

Besonders die ländlichen Räume sind für die Internetnutzung gar nicht oder nur unzureichend erschlossen. Moderne Ackerbauern und Tierhalter kommen an ihre Grenzen, weil sie zunehmend auf Vernetzung angewiesen sind. Ein gesellschaftliches Leben auf dem Land wird es ohne Internet auf Dauer nicht geben. 

Auf die letzte Phase der Steinzeit, dem Neolithikum, folgte der Übergang zum Metallzeitalter.  In den zeitlichen Dimensionen des Internet könnte dieser Punkt bereits erreicht sein, vielleicht steht er kurz bevor. Für die Politik stellt sich die Aufgabe zu entscheiden, in welcher Weise sie den ländlichen Räumen eine Perspektive für die künftige Entwicklung geben will. Für kühl kalkulierende Netzbetreiber besitzt der ländliche Raum mit Sicherheit keine Priorität. Die „digitalen Gräben" werden rasch tiefer und breiter.   



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