Katja Bongardt über das Entfernen von Kinderliedern
„Fuchs, Du hast die Gans gestohlen“, heißt ein Kinderlied, das eine Veganerin nicht ertragen kann. Marius Hahn, Bürgermeister von Limburg, hat freundlicherweise der Bitte der Dame entsprochen und das Lied zeitweilig aus der Liste des geschätzten Limburger Glockenspiels gestrichen. Das ist nett. Denn vielleicht sieht die Dame schlecht und hat deshalb besonders feine Ohren, weshalb sie beim Erklingen der Töne der Strophe „Sonst wird dich der Jäger holen, mit dem Schießgewehr“ mehr als alle anderen leidet und demzufolge nicht arbeiten kann. Unkompliziert hat der Bürgermeister seiner Stadt zu mehr Produktivität verholfen. Das ist toll.
Wie üblich bei solch schrägen Geschichten wird in ein paar Tagen kein Wetterhahn vom Glockenturm mehr danach krähen. Dennoch lohnt es sich, noch einen Moment über diesen Vorgang nachzudenken. Denn er zeigt eins ganz deutlich: Das Maß ist verloren gegangen. Wo sind die Kriterien, nach denen so etwas entschieden wird? Plötzlich kann eine Gegebenheit, die von einer Einzelperson oder von einer Minderheit als schlimm empfunden wird, anscheinend willkürlich dazu führen, dass sich für alle etwas ändert. Bitte erklären Sie diese Bürgermeister-Reaktion einmal den Bewohnern der Rhein-Main-Region, die auch unter Tönen leiden, nämlich denen des Flughafens.
Ermutigt von dem Vorgang in Limburg ist womöglich bald damit zu rechnen, dass ein Tierfreund „Der Wolf und die sieben Geißlein“ der Gebrüder Grimm auf den Index setzen lässt, weil der Platz im Uhrenkasten für das jüngste Geißlein ja wohl keinesfalls den Tierwohlkriterien entspricht. Mögliche Begründung: Das Seelenheil eines einzelnen Märchenlesers könnte bei der Lektüre nachhaltig in Ungleichgewicht geraten. Auch Wilhelm Buschs Witwe Bolte sollte sich auf Ärger einstellen. Es wird sich jemand finden, der Anzeige wegen Verletzung der Aufsichtspflicht über das Huhn erstattet. Wie sonst hätte es zu den massenhaften Selbsterdrosselungen kommen können.
In Hannover gibt es ja jetzt einen Krankenwagen für Wölfe. Fragen sie mal die gerissenen Schafe, was die dazu zu sagen hätten. Ach nein. Geht ja nicht. Zu spät.
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