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Peter Seeger zur Lage der Landwirte

Verfolgt man Medienberichte, entsteht der Eindruck, alle Verbraucher kaufen nur noch regional erzeugte Bioprodukte. Und die selbstverständlich nur zur passenden Jahreszeit. In Restaurants - auch in der Autostadt - werden vegane Biospeisen serviert. Konventionell produziertes Fleisch dagegen kommt nirgendwo mehr auf die Teller. Aber sieht die Realität tatsächlich so aus?

Wie die Wahl zwischen Opel Corsa und Porsche


Ich vergleiche den Fleischkauf gerne mit der Entscheidung, die der Verbraucher beim Autokauf treffen muss. Ich als Verbraucher erwarte von einem vergleichsweise günstigen Skoda Fabia oder Opel Corsa, dass die Bremsen funktionieren, das Fahrzeug mich verkehrssicher von A nach B bringt, und die Arbeiter, die das Gefährt am Band zusammengeschraubt haben, ihre Familie ernähren können. Bei einem VW Tuareg oder einem Porsche bin ich dagegen bereit, viel mehr Geld auszugeben. Dabei bleibt die Grundfunktion – nämlich der Transport von A nach B - die gleiche wie beim Skoda Fabia oder Opel Corsa. Vom VW Touareg oder Porsche erwarte ich aber mehr Ausstattung und Komfort. Zudem soll mir das Fahrzeug noch ein besonderes positives Lebensgefühl vermitteln und mein Image aufpolieren.

Das lässt sich auf den Fleischkauf, beziehungsweise die Tierhaltung übertragen. Konventionelle Erzeuger können zu günstigen Fleischpreisen eine Haltung betreiben, in der es den Tieren gut geht. Die vielen Extrawünsche der Gesellschaft können wir nicht gratis nebenbei erfüllen. Wer weiche Ledersitze und Bordcomputer samt Navi will – beziehungsweise extra viel Spielzeug für das Nutztier, gentechnikfreies Futter, längere Mastzyklen und Auslauf – der muss halt deutlich tiefer in die Tasche greifen und einschlägige Bioprodukte kaufen.

Bei Umfragen sind Verbraucher bekanntermaßen nicht ehrlich. Klar, wenn man(n) sich einmal im Monat zum Grill-Event trifft, will man sicher besonderes Fleisch servieren. Aber nicht einmal die Stammwählerschaft der Grünen ernährt sich konsequent von Bio-Produkten. Die Realität ist, dass Verbraucher weit über 90 Prozent konventionell erzeugte Nahrungsmittel kaufen - und dass bei Frischfleisch 70 Prozent des Umsatzes mit Sonderangeboten gemacht wird. Kann es sein, dass die aktuelle, moralische Diskussion über die Ernährung von elitären Gruppen geprägt wird, diese Ansichten im breiten Volk jedoch (noch) keine große Rolle spielen?

Klagen bringen niemanden weiter

Und sollen wir Landwirte das nun beklagen? Ich glaube nicht – denn das bringt uns nicht weiter. Wir sind freie Unternehmer und können nur von dem leben, was auch wirklich an der Ladentheke verkauft wird. Daher produzieren wir momentan mehrheitlich das, was nachgefragt wird – und in der Tierhaltung ist das konventionell erzeugtes Fleisch. Wir versäumen es aber, die Art und Weise unserer Produktion treffend zu kommunizieren. Die Verbraucher dürfen doch ein gutes Gefühl haben, wenn sie unsere hochwertigen, konventionellen Produkte kaufen! Wir haben genügend tolle Bilder, die wir zeigen können. Wir dürfen die Kommunikation über Landwirtschaft nicht der Spendensammelindustrie - auch bekannt als Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) - überlassen.

In einer Sitzung von Tierhaltern kam neulich die Frage auf, wie viele Auflagen noch folgen müssen, bis die NGOs zufrieden sind. Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Dies wird nie der Fall sein. Oder glauben Sie, dass sich der Geschäftsführer von zum Beispiel Greenpeace eines Tages hinstellt und verkündet: „Die Landwirtschaft genügt jetzt unseren Ansprüchen“? Das würde bedeuten, dass er sich und alle seine Mitarbeiter entlassen muss.

Wie schlecht ist unsere wirtschaftliche Lage wirklich?

Aber einmal ganz abgesehen von der viel bejammerten gesellschaftlichen Debatte: Ist denn unsere wirtschaftliche Lage tatsächlich so schlecht, wie wir sie uns reden? Klar, die Kartoffeln könnten meist teurer sein, auch der Schweinepreis ist fast immer - zumindest, wenn man den Marktanalysen am Stammtisch folgt -  zu niedrig. Trotzdem gibt es Betriebe, die zu den bestehenden Konditionen produzieren, Flächen pachten, Ställe bauen - und noch nicht Pleite gegangen sind.

Ich als Tierhalter wehre mich vehement gegen die Aussage, dass ein Hähnchen beim Discounter für 2,49 € nicht gut produziert wird. Auch die Tiere, von denen dieses Hähnchenfleisch stammt, werden nach den strengen deutschen Tierhaltungsregeln - und meist zusätzlich auch nach den QS-Vorgaben - gehalten. Wenn ich als Tierhalter in schwierigen Marktlagen gerade einige Monate kein Geld verdiene, und in meine Rücklagen greifen muss, merken meine Tiere davon nichts.

Dass die konventionellen Tierhalter trotzdem bereit sind, mehr für die Tiere zu tun als gesetzlich vorgeschrieben, zeigt die enorme Überzeichnung der Initiative Tierwohl. Nun ist es also amtlich: Zur Weiterentwicklung der Tierhaltung sind die Landwirte bereit. Nur muss generell geklärt werden, was praktikabel umzusetzen ist und den Tieren einen wirklichen Vorteil bringt. Ein sofortiges Verbot der Kastenstände in der Sauenhaltung zum Beispiel würde das Aus für die meisten bestehenden Sauenställe bedeuten. Besonders Betriebe, die gerade erst investiert haben, würden so in den Ruin getrieben. Werden die neuen Vorgaben dagegen erst auf Neubauten angewendet, kann sich der Landwirt als Unternehmer auf die neuen Gegebenheiten einstellen - oder auch die Investition sein lassen.

Was jedoch nicht geht, sind Veränderungen mit der ideologischen Brechstange - und ohne Kompensation der Mehrkosten. Das würde kein Unternehmer, egal, in welchem Wirtschaftszweig, mitmachen.



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