Henrike Schirmacher zur hessischen Vorreiterrolle
„Hessen ist Vorreiter in Sachen Tierwohl“, diese Rolle propagiert die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) in großer Runde. Wie die Hennen, deren Schnäbel in Hessen künftig lang bleiben sollen, versucht sie sich an die Spitze einer Hackordnung zu picken.
Leider ist das Gegenteil der Fall. Obwohl Hinz fleißig pickt, befindet sie sich in der Hackordnung im Reigen ihrer Bundeskollegen ganz weit unten. Da hilft es auch nichts, kurz vor knapp noch eine freiwillige Vereinbarung zum Verzicht auf das Schnabelkürzen von Legehennen ab 2017 zu unterzeichnen. Als Imagepflege ist dies schnell enttarnt, denn bundesweit ist der freiwillige Verzicht ab Januar 2017 seit einem Jahr sowieso schon beschlossene Sache.
Auch ihre Amts- und Parteikollegen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben gewaltigen Vorsprung. Vor einem Jahr unterzeichnete Johannes Remmel eine freiwillige Vereinbarung. Und der eigentliche Vorreiter ist Christian Meyer. Denn diesem hinkt Hinz drei Jahre hinterher. Damals setzte dieser in seinem Tierschutzplan das Austrittsdatum auf Ende 2016 sogar rechtlich verbindlich fest.
Mit allen Mitteln will sich Hinz jedoch vor die Kollegen kämpfen, das misslingt ihr aber auch an anderer Stelle. Lautstark kündigt sie einen bundesweit einzigartigen wie hochkarätigen Beraterstab an, der überforderten hessischen Betrieben zur Seite stehen soll, und trottet Meyer und Co. mit ihren Projektbetrieben schon wieder nur hinterher. Jedenfalls soll der Umgang mit aggressiven Hennen, die sich fortan mit spitzem Schnabel in ihre Hackordnung einfinden, dem Praktiker auch in Hessen richtig beigebracht werden. Die Freude der Landwirte dürfte sich in Grenzen halten, wenn ihnen jemand erklären will, wie das Huhn tickt - und dann vielleicht auch nicht mehr pickt?
Nein, so ist es dann wohl doch nicht, gibt der hessische Geflügelverband zu. Vermutlich werden sich mit dem langen Schnabel mehr Hühner zu Tode picken, das ist der Haken daran. Doch Hinz lässt sich nicht beirren, ihre Initiative Tierwohl geht vor. Sie will den Hühnern unnötige Schmerzen ersparen. Was der Legehennenhalter von morgen nun wirklich braucht, wissen die Zuchtunternehmen schon heute: Eine Rasse mit stumpfem Schnabel. Die Forschung läuft auf Hochtouren. Dann hätte alles seine Ordnung. Ganz ohne Haken.
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