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Das Zeitfenster für einen Abschluss des Mercosur-Vertrags war ohnehin klein. Jetzt wird es noch kleiner.
Der brasilianische Präsident Ignatio Lula da Silva entwickelt sich für die EU vom Hoffnungsträger zu einer herben Enttäuschung. Seiner neuen Rolle als Schützer des Regenwaldes kommt er ohnehin kaum nach. Dafür brüskiert Lula da Silva die EU mit seiner Position zur Ukraine. Brasilien sieht Russland nicht eindeutig als Angreifer und gibt stattdessen der EU und den USA eine Mitverantwortung für den Krieg. Lulas Äußerungen erschweren nun den Abschuss des Mercosur-Abkommens. Dabei handelt es sich kaum um spontane Ausrutscher eines linken Gewerkschafters. Dahinter steht ein außenpolitisches Konzept. Brasilien profitiert bereits jetzt von billigen Düngemittel- und Ölimporten aus Russland. Hinzu kommt die wirtschaftliche Abhängigkeit Brasiliens von China, die Lula da Silva im Gegensatz zur EU nicht abbauen, sondern intensivieren möchte. Lula will sein Land über erfolgreiche Friedensverhandlungen aufwerten und längerfristig im Schlepptau von China eine größere Rolle in der Welt spielen. Die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika stehen in den Startlöchern, um die Weltordnung aus dem vergangenen Jahrhundert gründlich umzukrempeln.
Für die EU lassen sich zwei Dinge daraus ableiten. Zum einen sind die Südamerikaner in den Mercosur-Verhandlungen nicht die Bittsteller. Stattdessen müssen die Europäer zusehen, wie sie in den gerade sich vollziehenden Umbrüchen ihren Platz behaupten. Ein besseres Umfeld für Investitionen aus der EU in den Mercosur-Ländern bleibt deshalb trotz aller außenpolitischen Unwägbarkeiten das wichtigste Ziel. Zweitens sollten Partikularinteressen, wie jene der Rinderhalter, neuen strategischen Allianzen der EU und dringenden wirtschaftlichen Notwendigkeiten nicht im Wege stehen. Besorgniserregend ist das klare „Nein“ von Österreich gegen das Abkommen. In Wien finden sich im türkis-grünen Regierungsbündnis Globalisierungsgegner und protektionistische Agrarier zu einer unglücklichen Mischung zusammen. Den Bedenkenträgern sei gesagt, dass argentinische Rindersteaks bereits heute ihren Weg in die EU finden und zudem die neue EU-Entwaldungsverordnung zusätzliche Weideflächen in Brasilien begrenzt. Die Rindfleischeinfuhren haben jedenfalls nicht die Dimension, um Europas Zukunft aufs Spiel zu setzen.
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