Bernhard Vetter zum ukrainischen Getreide

Solidarität auf dem Prüfstand

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Das Exportgut Nummer 1 der Ukraine muss sich seit dem Überfall Russlands neue Wege suchen. Und Polen kommt sich derzeit möglicherweise ein bisschen vor wie Italien.

Während das Land am Mittelmeer mit dem Zustrom von Flüchtlingen praktisch allein gelassen wird, kämpft der Ostsee-Anrainer mit der Bewältigung großer Mengen Getreide aus der Ukraine. Das Exportgut Nummer 1 des östlichen Nachbarn muss sich seit dem Überfall Russlands neue Wege suchen – und ich finde es bewundernswert, wie resilient sich die ukrainische Landwirtschaft hier zeigt. Für Europa spielte ukrainischer Weizen in der Vergangenheit kaum eine Rolle, da rund zwei Drittel in Entwicklungsländer gingen, überwiegend in Afrika, aber auch nach Afghanistan, wo er auch weiterhin dringend gebraucht wird.
 
Für Polen bedeutet die neue Situation aber, dass seine unbestrittene Solidarität mit der Ukraine auf eine härtere Probe gestellt wird, als etwa die von Deutschland – übrigens auch bei der Zahl der Geflüchteten. Der vorübergehend ausgerufene Importstopp für ukrainisches Getreide ist somit ein Warnsignal, das nicht überhört werden darf. In wenigen Stunden, um Mitternacht, soll er bereits wieder aufgehoben werden – denn auch europarechtlich hatte das Vorgehen ziemlich kurze Beine: So musste eine EU-Sprecherin in dieser Woche darauf hinweisen, dass die Handelspolitik unter die ausschließliche Zuständigkeit der Brüsseler Kommission fällt und für einseitige Maßnahmen deshalb kein Platz ist.
 
Aber in Polen wird im Herbst auch ein neues Parlament gewählt – und da könnte es durchaus sein, dass die regierende PiS-Partei um ihre Mehrheit bangen muss, wenn sich zu viele Landwirtinnen und Landwirte angesichts des hereinströmenden günstigen Weizens nicht mehr gut vertreten fühlen.
 
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Probleme erkannt. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wird für Nachbarländer der Ukraine eine millionenschwere Agrarhilfe aufgelegt. Noch sind die Details unklar. Es ist aber wichtig, dass die EU nicht nur die Handelspolitik für sich reklamiert, sondern vermehrt auch für den besseren Abfluss des sogenannten Transitgetreides sorgt.




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