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Der ukrainische Landwirt Dr. Alex Lissitsa ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Im Gespräch berichtet er von seinem Umgang mit den brutalen Folgen des russischen Überfalls auf sein Land.
Nach einem emotionalen und unternehmerischen Tiefpunkt im Sommer 2022, als er für sich und sein Unternehmen keine Perspektiven sah, habe er sogar daran gedacht, den landwirtschaftlichen Betrieb, der rund 120.000 ha umfasst, einzustellen.
Nun aber habe er sich mental – soweit das überhaupt möglich ist – auf die unberechenbaren Kriegszustände eingestellt. „Ich habe für mich begriffen, dass eine längerfristige Zeitplanung so gut wie gar nicht möglich ist. Ich habe auch verstanden, dass alles, was wir vor dem Krieg mit Digitalisierung erreicht hatten, nicht mehr läuft“, erzählt er im gemeinsamen Interview mit der agrarzeitung und dem Nachrichtendienst Agra-Europe (AgE) in Berlin.
Offen spricht Lissitsa Kriegs-Traumata seiner Mitarbeiter an. Inzwischen investiere er deswegen viel mehr Zeit in Gespräche. „Ich rede sehr viel mit ihnen und merke, dass viele traumatisiert sind“, sagt er. Eine seiner Schilderungen macht deutlich, wie viel Elend und Trauer der Krieg über das Land gebracht hat. Zwei Tage nachdem er sechs Dieselgeneratoren in Deutschland gekauft habe, sei einer davon verbrannt, aufgrund von Bedienungsfehlern. „Vor dem Krieg wäre der Mitarbeiter wahrscheinlich gefeuert worden“, sagt Lissitsa. „Aber jetzt habe ich erfahren, dass sein Sohn gerade erst an der Front gestorben ist. Vor diesem Hintergrund ist ein kaputter Dieselgenerator nicht mehr so wichtig“, ordnet er die Geschehnisse ein.
Die Ukrainer müssen mit der Ungewissheit leben, nicht zu wissen, wie der Krieg endet. Lissitsa ist nach eigener Aussage felsenfest davon überzeugt, dass sein Land den Krieg gewinnen wird. Die Ukraine werde ihre Gegenoffensive in den nächsten Wochen und Monaten starten. „Wenn wir da erfolgreich sind, und davon gehe ich aus, wird unsere Armee bis zum Asowschen Meer vorstoßen“, sagt er. „Dann bekämen wir bis Ende des Jahres eine gute Ausgangsbasis für die Kommunikation mit den Partnern und Verhandlungen mit den Russen“, hofft Lissitsa.
Allerdings wird am Schluss ein Kompromiss stehen müssen und ein Friedensvertrag ausgehandelt werden. Hoffentlich gelingt das schon bald.
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