Wissen Sie, wo im Augenblick in Europa der spannendste Ort der Landtechnik liegt? Raten Sie mal.
In Berlin? Falsch! In Hamburg? Falsch! Frankfurt? Auch nicht. Witzenhausen? Nöö! München oder Weihenstephan? Haha! Im schwäbischen KI-Valley zwischen Stuttgart und Tübingen? Sorry, im Ländle ebenfalls nicht. Der spannendste Ort liegt „JWD“ – ganz weit draußen.
Kennen Sie Osnabrück? Wissen Sie, wo auf der Karte das liegt? Waren Sie dort schon einmal dort? Es ist eine beschauliche 165.000-Einwohner-Stadt im Südwesten von Niedersachsen mit einer Hochschule und einer hübschen Fußgängerzone.
Ganz genau befindet sich gerade der Landtechnik-Hotspot eher unscheinbar in der Osnabrücker Marie-Curie-Straße 3, umgeben von Büro- und Mehrfamilienhäusern. Von außen sieht er nicht gerade aus wie ein High-Tech-Zentrum mit spiegelnden Glasfassaden und abgefahrener Architektur. Er erinnert eher an ein (Sorry, Florian!) etwas heruntergekommenes Jugendzentrum.
Hinterm Gebäude steht ein aufblasbares Kinder-Planschbecken, zwischen zwei Bäumen ist eine Hängematte aufgespannt, Campingstühle, Grill, selbstverständlich nicht gereinigt, mit einer Holzkohle-Suppe darin. Im Hof abgesetzte und zu Büros ausgebaute Frachtcontainer. Im Haupthaus der obligatorische Tischfußball. Die beiden Hauptgebäude wurden bis 2009 von den britischen Truppen genutzt, um ihre Fahrzeuge instand zu halten. Als Eventraum dient heute die ehemalige Waschhalle, in der die Briten ihre Panzer auf Hochglanz wienerten. Aus etlichen Lagen Euro-Paletten wurde eine Bühne improvisiert.
Der Ort hört auf den Namen Seedhouse und hat mittlerweile rund 52 AgriFood-Start-ups durchgeschleust und entwickelt. Gründer, Projekte und Start-ups bekommen hier Räume, Büro-Inftrastruktur, Zugang zum großen Netzwerk aus rund einem Dutzend Landtechnik-Herstellern, Lebensmittel-Companies, Banken, sie bekommen Beratung und Kapital. Gerade ist die zehnte Unterstützungsrunde namens „Batch 10“ gestartet (eine Liste der „Batch 10“-Projekte finden Sie hier). Rund 20 weitere high-tech-bezogene Start-ups bekommen im so genannten „Growhouse“ Support bei Wachstum und Skalierung.
Unterstützt wird Seedhouse überwiegend von Firmen aus der Region, die als Gesellschafter agieren. Darunter die Landtechnikhersteller Grimme, Lemken und Krone, die Lebensmittel-Firmen Homann Feinkost, Berentzen, die Bedford Wurst und Schinkenmanufaktur und der Geflügelproduzent PHW-Gruppe, die Agravis, der Papier-Hersteller Felix Schöller Group und die Sparkasse Osnabrück sowie die Kreissparkassen Melle und Wiedenbrück. Nicht dabei – das sei der Vollständigkeit halber gesagt – ist John Deere (Sorry, John!).
Es gibt Leute, die sagen, dass es in der Region mittlerweile zum guten Ton gehört, das Seedhouse zu unterstützen. Und manch ein Gesellschafter lässt Seedhouse-Geschäftsführer Florian Stöhr wissen: Falls es einmal Probleme mit der Unterstützung durch andere Firmen gäbe, sei man gerne bereit, dort einmal nett anzurufen und freundlich nachzuhelfen.
Heute hat das Seedhouse als Brutstätte für neue Ideen aus der und für die Landwirtschaft und die Food-Branche, eine so starke Außenwirkung, dass etwa der Vorstand von Agravis – just to get inspired – dort zwischen Tischfußball und aufgebrauchten creme-farbenen Ledersofas seine Vorstandssitzung abgehalten hat. Feel the Innovation (Sorry, Herr Köckler!)
Gleich in der Nachbarschaft zum Seedhouse befindet sich die Firma DKE Data, die – zum Bericht bitte hier klicken – die Integrationslösung AgriRouter betreibt, die das Potenzial hat, zu einem internationalen Lösungsanbieter zu werden.
Diese Woche wurde dann auch noch öffentlich (was ja viele bereits wussten), dass das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Osnabrück, die Hochschule Osnabrück und das Agrotech Valley Forum, alles Einrichtungen mit denen Seedhouse in intensivem Austausch steht und die zum Netzwerk oder besser Cluster gehören, einen zentralen Ort mit Testumgebungen für Künstliche Intelligenz und Robotik in der Landwirtschaft schaffen soll. Dafür stellt die EU einen Förderbetrag von 10 Mio. € zur Verfügung.
Das Fördergeld stammt aus dem Programm agrifoodTEF der Europäischen Union. Das fördert verschiedene europäische Einrichtungen mit zusammen 50 Mio. €. Auch das Bundesagrarministerium (BMEL) unterstützt das Projekt.