Olaf Deininger zum Ukraine-Krieg

Mediale Lufthoheit

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Die Sondersendungen und Brennpunkte in den TV-Programmen sind weitgehend verschwunden. Auch die Live-Ticker wurden nach und nach von den Homepages der meisten Nachrichtenportale und Magazine genommen.

Und auch längst nicht mehr in jedem Heute Journal, jeder Tagesschau oder jeder Tagesthemen-Sendung ist der Überfall auf die Ukraine das Aufmacherthema. Manchmal taucht der Krieg sogar je nach Nachrichtenlage nur noch am Rande auf.

Das scheint normal. Denn Medien und Journalisten berichten darüber, was gerade auf der Welt passiert und müssen täglich, mitunter stündlich, die Entscheidung treffen, was die wichtigsten Meldungen sind, mit denen sie ihre 20 oder fünf Minuten Sendezeit, ihre drei oder fünf Seiten Politik oder Ausland füllen oder mit welchen Themen sie ihre Autoren, Reporter oder Redakteure beschäftigen. Das Management der knappen Ressourcen, also Minuten, Seiten, Arbeitszeit, gehört zu unserem Job.

Doch es gibt noch ein Phänomen: Ganz gleich, wie relevant bestimmte Themen sein mögen, sie unterliegen einer Art Abnutzung. Denn ihr Neuigkeitswert wird geringer. Damit fallen auch die Zuschauerzahlen und die Klicks bei den Websites. Und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich immer mehr Zuschauer oder Leser vom jeweiligen Thema genervt fühlen. Es verliert an Priorität und damit an Airtime, Online-Seiten und Druckerschwärze.

Bei bestimmten Themen ist das fatal. Denn wir wissen, dass Politik in erster Linie auf zwei Dinge reagiert: auf Studien (hier war beispielsweise Angela Merkel besonders sensibel) und auf Medien. Verschwinden also Themen aus den Medien, sinkt der Druck auf Politiker, hier aktiv zu werden. Die erste NGO, die dieses Prinzip verstanden hat, war übrigens Greenpeace, die genau aus diesem Grund ihre spektakulären Aktionen in den 1970er- und 1980er-Jahren durchführte, damit sie in die Primetime kamen und so viele Themen auf die politische Agenda brachten.

Und nicht nur das: Sendezeit und Druckseiten beeinflussen Wähler, die sich dadurch eine Meinung bilden – oder eine bereits vorhandene Meinung verfestigt sich, die dann wiederum über Marktforschung und Studien abgebildet wird und auf diesem Weg noch einmal die Politik erreicht. Verschwinden Themen also aus den Medien, reduziert sich der Handlungsdruck auf die Politik. Das gilt leider auch für den Krieg in der Ukraine.

Und so geben sich beide Seiten Mühe, die mediale Aufmerksamkeit in ihrem Sinne möglichst hochzuhalten. Dies mit dem Ziel, ihre Interessen in den jeweiligen politischen Handlungsräumen immer wieder auf die Agenda zu bekommen – oder dafür zu sorgen, dass sie erst gar nicht von den Tagesordnungen verschwinden. Denn wer in den Medien nicht mehr stattfindet, könnte Anhängerschaft und damit Support verlieren.

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