Die Verbraucher wollen einfach nicht den Geldbeutel für eine andere Tierhaltung aufmachen. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für die Einführung eines staatlichen Tierwohl-Labels.
Wirklich überraschend kommt die Meldung aus der Lidl Zentrale nicht, dass die propagierte Bereitschaft der Verbraucher für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung einzustehen, am Geldbeutel aufhört. Laut Jan Bock, Einkaufschef von Lidl Deutschland, sinkt die Nachfrage nach Produkten mit dem steigenden Preis. Bock meint damit den kürzlich eingeführten Haltungskompass von Lidl, der die Haltungsbedingungen von Schweinen und Geflügel auf der Verpackung nach Tierwohlkriterien in verschiedene Stufen einordnet. Dabei wäre das doch DIE Chance für Bürger, mit kleinem Aufwand und über dem Kauf der teureren Produkte, ein deutliches Signal an Erzeuger und Politik für eine andere Tierhaltung zu geben.
Dies sind leider keine guten Vorzeichen für die Einführung eines staatlichen Tierwohl-Labels von Frau Klöckner. Besonders dann, wenn es auf freiwilliger Basis eingeführt werden soll. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) tut sich schwer mit solch einer Pflicht-Kennzeichnung, besonders weil LIDL die medialen Lorbeeren schon eingeheimst hat und somit das Thema für die Marketingabteilungen abgehakt ist.
Leider ist das einfache Umlageverfahren der ITW ab 2021 nicht mehr möglich, da das Kartellamt auf die Nämlichkeit der Produkte besteht. Das bedeutet, dass der Kunde im Laden sehen kann welches Fleisch wirklich mit höheren Standards produziert wurde. Dies ist jedoch aus logistischen Gründen für die Schlachtindustrie sehr teuer. Daher steht sowieso eine Umstellung in dem bestehenden System der Tierwohlförderung in Deutschland an.
Es ist nun an den politischen Entscheidern und dem LEH eine kluge Politik zu machen und die Landwirtschaft mitzunehmen. Kaum jemand würde in Deutschland Öko-Strom kaufen, wenn die Mehrkosten nicht über das EEG auf alle Stromkunden umgelegt worden wären. Gerade dieses System mit staatlichem Eingriff hat Probleme der Akzeptanz in der Bevölkerung, wird aber als Erfolgsgeschichte gefeiert.
Eine offensive Herkunftskennzeichnung im gesamten Sortiment hat der LEH bisher stets vermieden, da sonst die Flexibilität im Einkauf im europäischen Ausland verloren geht. Das ist aber auf jeden Fall anzustreben, um dem Verbraucher die Transparenz zu geben.
Durch die Aufteilung der Tierhaltung in Sauenhaltungs- und Mastbetriebe iist es schwierig, die Vergütung höherer Tierwohlkriterien nur über das Mastschwein auszuzahlen. Der Sauenhalter, der an einem Tierwohlprogramm teilnehmen will, muss einen Mastbetrieb finden, der auch an dem jeweiligen Tierwohlprogramm teilnimmt, um überhaupt den Bonus zu bekommen, um diesen dann weiterreichen zu können. Im Gegensatz dazu kann der Mäster die Ferkel billig im Ausland kaufen. Daher wäre aus meiner Sicht nur eine hybride Lösung denkbar. Die Auszahlung der Mastkriterien kann über den Schlachthof erfolgen und somit auch auf der Fleischpackung ausgewiesen werden, jedoch die Mehrkosten in der Sauenhaltung und Ferkelaufzucht kann nur weiterhin über ein Umlageverfahren bezahlt werden.
Es ist von Politik und Wirtschaft genau abzuwägen, welche Kriterien und Organisationsformen in Deutschland möglich sind. Ziel muss es sein, mit möglichst wenig administrativen Kosten, viel für die Tiere im Stall an verbesserten Haltungsbedingungen umzusetzen. Zudem muss es wichtig sein, die bäuerlichen Strukturen zu erhalten und Tierwohl nicht nur in großen Produktionsketten möglich zu machen.
Heuchelei des LEH mit staatlicher Unterstützung; davon profitieren nur zwei: der Ferkelimporteur und der LEH, der Landwirte gegeneinander jederzeit austauschen kann. Planungssicherheit für Tierwohlinvestitionen können so nicht funktionieren.. Klöckner, zu was!