Peter Seeger zur Ferkelkastration

Schulterschluss ist überfällig

Die Landwirtschaft steht erheblich unter Druck, auch die Tierhalter. Sie stehen hilflos wie das Kaninchen vor der Schlange angesichts des Verbots der betäubungslosen Kastration. Es muss dringend eine Branchenvereinbarung mit allen Akteuren für die Schweinehaltung in Deutschland getroffen werden.

Noch gut 52 Wochen sind es bis zum Ende der bisherigen Art der Kastration. Bislang hat sich noch kein Königsweg herauskristallisiert. Die klassische Ebermast scheint mit etwa 15 Prozent Marktanteil an ihre Grenzen der Akzeptanz der Schlachtbetriebe zu kommen. Die Schlachter sehen nur begrenzte Möglichkeiten, diese doch abweichenden Fleischqualitäten der Eber am Markt unterzubringen. Zudem müssen die Bauern erhebliche Abschläge der unkastrierten Eber hinnehmen.

Praxistauglich geht anders

Die Kastration unter Betäubung mit dem Gas Isofluran ist seit kurzem für die Anwendung vom geschulten Landwirt zugelassen. Jedoch sind keine Konzepte und Kapazitäten für die Schulung der Landwirte im kommenden Jahr vorhanden. Zudem sind die vielen tausend Narkosegeräte weder geprüft, zugelassen noch gebaut und ausgeliefert. Neben den Gesundheitsgefahren für die Anwender und die erheblichen Investitionskosten der Geräte ist der höhere Arbeitsaufwand für hoch qualifizierte Mitarbeiter nicht zu unterschätzen. Genauso ist die Kastration unter Betäubung des Tierarztes schon allein wegen der Tatsache, dass auf Dauer nicht annähernd genügend Tierärzte zur Verfügung stehen, die diese vielen Eber betäuben und kastrieren wollen, eher eine theoretische Alternative. 

Der Weg die männlichen Schweine über eine Impfung zu kastrieren, ist momentan wieder stärker in der Diskussion. Die Aktion von Sauenhaltern aus Nord-Westdeutschland 100.000 mit dem Produkt Improvac behandelte Eber zu vermarkten, erregt Aufsehen. Nur schade, dass sich nicht alle namhaften Schlachter an der Aktion beteiligen und hierbei Erfahrungen mit dem neuen Schlachtprodukt sammeln. Leider wird auch bei dieser Art der Kastration von den Schlachtern ähnlich wie bei den unkastrierten Ebern von teils erheblichen Preisabzügen gesprochen.

Als vierter Weg wird die örtliche Betäubung durch den Landwirt bezeichnet. Hier sind viel versprechende Produkte in der Entwicklung, die eine einfache, tierschonende Kastration ermöglichen. Die deutsche Formulierung der „völligen Schmerzausschaltung“ erweist sich aber als juristische Hürde, die bisher kaum zu überwinden ist.

Solidarität der Fleischwirtschaft Fehlanzeige

Von dem Verband der Fleischwirtschaft (VDF) ist die Tage zu hören, dass am besten alles so bleibt, wie es ist. Hauptsache die Landwirte kastrieren weiter chirurgisch. Der Rest ist dem Fleischverband anscheinend egal. In welch einer Welt leben diese Funktionäre? Natürlich ist es sehr einfach und in den vergangenen Jahren gängige Praxis, die Last einfach auf die Landwirtschaft abzuwälzen. Seither war der deutsche Sauenhalter ein austauschbares Element im europäischen Schweinmarkt.

Bei allem gebotenen Pragmatismus, stellt sich mir die Frage, ob es nicht gerade jetzt, besonders bei dieser Marktlage, die Möglichkeit besteht, einen Schritt nach vorne zu gehen. Man möge sich daran erinnern, dass das Verbot der betäubungslosen Kastration nur durch PR-Aktionen der Tierschutzorganisationen in Deutschland besonders streng reglementiert wurde. Werden wir jemals Ruhe bekommen, wenn wir weiter in irgendeiner Form chirurgisch kastrieren? Ich kann es mir kaum vorstellen. Aus Sicht der meisten Tierschutzorganisationen ist nur Ebermast und die Mast geimpfter Tiere akzeptabel. Sollte wirklich geimpftes Fleisch auf den Markt kommen, kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Gruppe dagegen Stimmung macht. Ohne groß angelegte negative Medienkampagnen gegen die „Kastration“ mit der Nadel werden die Verbraucher auch weiterhin deutsches Schweinfleisch essen.

Es ist an der Zeit, endlich mutig einen Schritt voran zu gehen. Diese ewigen Grabenkämpfe haben uns auch in diese Situation gebracht, in der sich die Landwirtschaft heute befindet. Eine „Branchenvereinbarung“ wie von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) in die Diskussion gebracht wurde, ist längst überfällig. Ein Bekenntnis der Fleischwirtschaft, der Landwirtschaft und der Tierschutzorganisationen zur Sauenhaltung in Deutschland, zu mehr Tierschutz und die gleiche Bezahlung aller Kastrationsarten ist sofort einzufordern.



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  1. Rumpf Helmut
    Erstellt 20. Dezember 2019 19:21 | Permanent-Link

    Schulterschluss mit allen ja , aber ohne NGO. Wir nehmen sie zu wichtig , am Ende des Tages wollen die Konsumenten ein geruchloses bedenkenloses Nahrungsmittel...LG Helmut

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