Foto: Samuel Schalch

Der Direktor des Fibl, Prof. Urs Niggli, schwimmt gerne gegen den Strom. Den Begriff „Unkraut“ hat er aus seinem Wortschatz gestrichen.

Für einen Mann seines Amts spricht Prof. Urs Niggli sehr offen und unverblümt. Es ist erfrischend unkompliziert, Kontakt zu ihm herzustellen. Der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl) in Frick nimmt den Hörer am anderen Ende der Leitung selbst ab und spricht in seiner ruhigen Schweizer Art drauflos.

Schon als Jugendlicher wollte Niggli ein völlig anderes Konzept als das der konventionellen Landwirtschaft unterstützen. Während seines Studiums der Agrarwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, das traditionell sehr konventionell geprägt war, kam es zunächst jedoch ganz anders. Er entdeckte trotz seiner inneren Überzeugung eine Berechtigung der konventionellen Praxis. Das ging sogar so weit, dass er sich als Forscher an den Bundesforschungsanstalten (heute Agroscope) mit der Zulassung von Herbiziden beschäftigte. „Damals faszinierte mich als jugendlicher Macher die konventionelle Landwirtschaft.“ Die ökonomische Rentabilität spielte in der landwirtschaftlich klein strukturierten Schweiz eine große Rolle, beschreibt es Niggli rückblickend. Den Begriff „Unkraut“ hat er mittlerweile aus seinem Wortschatz gestrichen. „Je vielfältiger die Wildpflanzen, desto besser funktioniert das Gleichgewicht zwischen Schad- und Nutzinsekten.“
„Als jugendlicher Macher faszinierte mich die konventionelle Landwirtschaft.“
Prof. Urs Niggli, Direktor Fibl


Niggli ist kein Typ, der Träumereien anhängt. Als Begründung für seine Rückkehr zur jugendlichen Überzeugung nennt er wohl auch deswegen zwei Beobachtungen, die er in seinem Arbeitsalltag erfahren hatte. Zum einen hält er es für grundsätzlich schwierig, aus dem konventionellen System einen agrarökologischen Kurs abzuleiten. Die Ökonomie sei zu dominant und lasse der Ökologie, für die er sich engagieren will, wenig Spielraum. Zum anderen würden strenge Zulassungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel niemals zu einer hundertprozentigen Sicherheit vor unbekannten Risiken führen.

Das motiviert Niggli, seither nach Alternativen zu suchen. Er ist überzeugt: Es braucht Nischen wie den Ökolandbau, wo sich Dinge ausprobieren lassen. Dieser offene, unverstellte Blick hat ihm sogar einen Disput mit Ökoverbänden in puncto neue Gentechnik eingebracht, weil er den biotechnologischen Methoden wie Crispr-Cas öffentlich Nutzen für die Landwirtschaft zusprach.

Niggli erklärt es so: Das Fibl sei zwar der technischen Weiterentwicklung des Ökolandbaus verpflichtet, doch die Debatte will er deswegen nicht scheuen. Er spreche als erfahrener Forschungspolitiker, der sich über das kleine Biosegment hinaus auch für zukunftsfähige Technologien interessiere. Nigg<Gewollte_Trennstelle>li scheint im eigenen Gewässer gerne gegen den Strom zu schwimmen. Er prüft sich und seine Denkmuster. Seit er das ehemals „winzige“ Fibl, das vor fast 30 Jahren nur 20 Mitarbeiter zählte, leitet, hat er dem Institut in der wissenschaftlichen Community Gehör verschafft. Für das Fibl arbeiten mittlerweile mehr als 200 Mitarbeiter in der Schweiz und nochmals 100 in Deutschland, Österreich, Ungarn und Frankreich. Seit vergangenem Jahr hat das Institut einen Sitz in Brüssel. Dass der Mann viel unterwegs ist, liegt in der Natur seines Amts, pro Monat hält er sich für mindestens zehn Tage nicht in der Schweiz auf.

Seiner Arbeit habe er viel geopfert, gibt er selbst zu. Dazu zählen der Sport – Niggli war in seiner Jugend ein guter Sprinter – und die Zeit mit der Familie: „Meine Kinder halten mich für einen schrecklich nachlässigen Vater.“ Doch sie nehmen ihm das nicht übel, ist Niggli überzeugt. „Sie sagen, ich hätte meine Kraft in die richtige Sache gesteckt.“ Wie zur Bestätigung kommen alle vier Kinder ganz nach dem Vater. Die älteste Tochter ist eine biodynamische Bäuerin, die zweite und dritte Tochter engagieren sich in ihren jeweiligen Berufen „sehr für die Umwelt“, der Jüngste ist Bioberater. Der 65-Jährige ist froh, sich zu fühlen, als hätte er in seinem Leben nichts verpasst. „Als ich das Fibl übernahm, war mir klar: Damit dies ein moderner Agrarforschungsbetrieb wird, muss ich hart arbeiten.“ Das hat er nie bereut.

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