In fast allen Bundesländern sind in dieser Woche Herbstferien. Das spricht an sich für eine dünne Nachrichtenlage. Doch am Schweinemarkt dürfte wohl kaum entspannte Ferienstimmung einkehren: ASP und Corona brauen sich dort gerade zu einem toxischen Cocktail zusammen. Schweinehalter haben zunehmend Angst um ihre Existenz; Agrarpolitiker stehen unter Zugzwang, zu reagieren.
Worst Case: Zweite Corona-Welle im Schlachthof trifft ASP
Als ob der Markt nicht schon genug unter der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu leiden hätte, verschärft jetzt auch noch eine Art zweite Welle der Corona-Infektionen in Schlachthöfen die Lage. Allerdings zeichnet sich hier zumindest eine kleine Entspannung ab: Am Sonntag gab der Landkreis Emsland bekannt, dass der Weidemark-Schlachthof
ab diesem Montag unter strengen Hygiene-Auflagen den Betrieb wieder aufnehmen darf. Zu den Auflagen zählen, dass die Mitarbeiter an dem zum Tönnies-Konzern gehörenden Standort in Minimalbesetzung arbeiten. Heißt konkret: 200 statt 600 Arbeiter dürfen am Schlachtband tätig sein. Zudem befinden sich die Mitarbeiter in Arbeitsquarantäne bis zum 31. Oktober, dürfen also nur zwischen Arbeitsplatz und Wohnung pendeln und sich sonst nirgendwo aufhalten. Außerdem mussten Spezialfilter eingebaut werden in den kritischen Bereichen und die Mitarbeiter müssen FFP2-Masken tragen. Der Kreis will das ganze Vorgehen wissenschaftlich begleiten und beobachten.
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Mit diesem Kompromiss kehrt zumindest etwas Entspannung ein am Schlachtschweinemarkt. Ursprünglich wollten die Kreisbehörden den Schlachthof in Sögel 22 Tage schließen, nachdem die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen die 100er-Marke überschritten hatte. Dagegen hatte Tönnies eine einstweilige Verfügung beantragt. Doch Sögel ist nicht der einzige Schlachthof, der mit Corona-Fällen auf sich aufmerksam macht: Auch an einem Standort des Vion-Konzerns in Emstek im Kreis Cloppenburg wurden in der Vorwoche mehr als 60 Corona-Fälle bekannt. Dort durfte zwar bislang die ganze Zeit über weiter geschlachtet werden, allerdings auf niedrigerem Niveau. Sowohl die Lage bei Tönnies in Sögel, als auch jene bei Vion in Emstek dürfte weiter im Fokus der Teilnehmer am Schweinemarkt bleiben.
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Branchenverbände wie die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) beklagen unterdessen gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) und Deutschen Raiffeisenverband (DRV) eine Situation, die für Schweinehalter zunehmend ruinös werde: Während die ASP stetig weitere Fälle fordert und vor allem die Vermarktung von Schweinefleisch in Drittstaaten wie China dadurch gebremst ist, ist der Vermarktungsstau von Schweinen nach der ersten Corona-Welle in den Schlachthöfen im Sommer noch nicht ganz abgebaut. Stockt der Abfluss der schlachtreifen Schweine jetzt zusätzlich, wird es im Wortsinne im Stall und im finanziellen Sinne für die Schweinehalter eng. Nach Angaben der ISN stauen sich bereits jetzt schon 400.000 Schlachtschweine in den Ställen.
Auf politischer Ebene werden in dieser Gemengelage Ausnahmeregelungen für Arbeitszeiten am Schlachtband salonfähig. Niedersachsen hatte vorgeschlagen, dass Schlachthöfe auch am Sonntag arbeiten dürfen. Zudem will die dortige Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) mit anderen Bundesländern Lösungen suchen, um die Krisensituation am Schweinemarkt zu entschärfen. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) räumte ein, dass Ausnahmeregelungen für Sonn- und Feiertagsarbeit am Schlachtband ein Teil der Lösung sein könnte. Auch diese politische Diskussion dürfte in dieser Woche weiterlaufen.
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Unterdessen wecken Berichte lokaler Medien vom Wochenende ungute Erinnerungen an den Sommer 2020: Radio Gütersloh meldet unter Berufung auf die dortige Kreisverwaltung einen Anstieg der Corona-Infektionen bei Tönnies: Jeder Fabrikmitarbeiter wird dort drei Mal wöchentlich getestet – dabei seien wieder mehr positive Fälle aufgetaucht. Tönnies wiederum verweist darauf, dass die Vielzahl der Tests auch mehr positive Ergebnisse hervorbringe. Die infizierten Mitarbeiter stammten aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen und würden sich bei der Arbeit nicht begegnen; daher habe ihre Ansteckung wohl außerhalb des Unternehmens stattgefunden.
(Foto: Imago Images / Steinach)
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