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Smart Farming bietet mit Lösungen wie Farm-Management-Systemen oder Prognosemodellen im Pflanzenschutz ein enormes Mehrwertpotenzial in der Landwirtschaft. Dabei bleibt die Akzeptanz bei den Landwirten oft hinter den Erwartungen zurück. Schlüssel für den Erfolg ist, die Kundenbedürfnisse systematisch aus nächster Nähe zu erfassen.

Die Akzeptanz von Smart-Farming-Anwendungen bei Landwirten hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab: dem wahrgenommenen Mehrwert und einer nutzerfreundlichen Bedienbarkeit in der Arbeitsumgebung. In der Praxis finden Landwirte jedoch oft Software-Anwendungen und Apps vor, die ihr Nutzerbedürfnis nicht zu 100 Prozent erfüllen. So fehlen zum Beispiel Schnittstellen zu anderen, auf dem Betrieb bereits genutzten Systemen, oder es mangelt an einer intuitiven Nutzeroberfläche. 

Anforderungen der Erzeuger gehören auf Schreibtische der Softwareentwickler

Eine gute Balance zwischen Operabilität und Nutzen ist eine zentrale Herausforderung für Anbieter von Smart-Farming-Lösungen. Viele Unternehmen priorisieren die Entwicklung der Technologie zu stark und vernachlässigen dabei die Bedienbarkeit, während andere leicht bedienbare Anwendungen bauen, die kaum Mehrwert bieten. Durch diese Imbalance treffen digitale Produkte oftmals nicht die individuellen Kundenbedürfnisse. Als Konsequenz bleiben die Nutzerzahlen hinter den Erwartungen zurück und der Return on Invest der Produktentwicklung leidet. Doch ohne Nutzer werden keine neuen Daten für das Geschäftsmodell generiert. Eine zentrale Frage zur Akzeptanz von Smart-Farming-Software lautet daher: Wie gelangen die Anforderungen der Landwirte auf die Schreibtische der Produktentwickler?

Die irische Supermarktkette Superquinn ist aufgrund ihrer Fokussierung auf den Kundenservice als Innovationstreiber im Lebensmitteleinzelhandel bekannt. Der Gründer Feargal Quinn soll in seinen Filialen als Aushilfe gearbeitet haben, um Kunden-Feedback einzuholen. Er soll alle Anforderungen dokumentiert und in die Unternehmenszentrale mitgebracht haben, wo sie vom Management zeitnah analysiert, priorisiert und umgesetzt wurden. Um den erhobenen Kundenbedürfnissen zu entsprechen, implementierte Superquinn als erste Supermarktkette weltweit ein Rückverfolgbarkeitssystem für ihr gesamtes Rindfleisch aus Weidehaltung.

Das Beispiel illustriert deutlich, wo auch im Bereich Smart Farming Optimierungspotenziale liegen: Es fehlt an der Umsetzung von systematischen Ansätzen, um Lücken im Anforderungsprofil der Kunden frühzeitig zu identifizieren und zu schließen. Gut geeignet hierfür sind systematische Umfragen in einer möglichst gleichbleibenden Nutzergruppe, systematische Interviews, die Implementierung von Co-Design-Prozessen, in denen Kunden in die Produktentwicklung eingebunden werden, oder dem Aufbau von User-Communities. Sollte eine systematische Nutzerabfrage beispielsweise ergeben, dass die Bedienbarkeit einen stärkeren Einfluss auf die Akzeptanz einer Smart-Farming-Anwendung hat als etwa Schnittstellen zu Komplementärsystemen, so können entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Bedienbarkeit fokussiert werden. 

Im Rahmen der begleitenden Beratung von Produkteinführungen fällt immer wieder auf, wie weit Theorie und Praxis auseinanderliegen, wenn Hightech-Ansätze die Anforderungen der Praxis nicht ausreichend berücksichtigen.

Es empfiehlt sich daher, zwischen den Anforderungen der Anwender und des Technologieentwicklers zu moderieren, was intern oder mithilfe von externen Partnern wie Beratern gelingen kann. Zudem sollten die potenziellen Anwender bereits in frühe Entwicklungsstadien eingebunden werden, da sie am besten wissen, was sie benötigen. Denn am Ende entscheidet der Landwirt, welche Softwarelösung genutzt wird und welche nicht. 

Foto: Farm Facts GmbH

3 Fragen an Gunnar Zinkhahn, Geschäftsführer der Farm Facts GmbH
Für Gunnar Zinkhahn, Geschäftsführer der Farm Facts GmbH, ist die Nähe zum Endkunden zentraler Erfolgsfaktor. Farm Facts ist mit seiner Marke Next Farmingführend im Markt für Farm-Management-Systemein Deutschland.

Warum ist ein nutzerzentriertes Design so wichtig?

Gunnar Zinkhahn: Zentraler Anker ist, dass wir ein Produkt für einen Kunden entwickeln. Somit müssen wir die Bedürfnisse des Kunden verstehen und das Leistungsversprechen des Produktes in den Vordergrund stellen und nicht die Technologie, mit der wir es entwickeln.

Nutzenmaximierung versus Bedienerfreundlichkeit, was ist wichtiger für die Landwirte?

Wir müssen zwischen einem B2B- und einem B2C-Kunden unterscheiden. Unsere großen landwirtschaftlichen Betriebe sind Business-Kunden, die ganz konkrete Anforderungen an das Produkt im Geschäftsalltag haben. Dabei steht der Nutzen klar im Vordergrund und weniger die Bedienbarkeit. Bei kleineren Betrieben, die eher dem klassischen Endkundenbereich, dem B2C-Bereich, entsprechen, wird die Bedienerfreundlichkeit wichtiger, denn bei sporadischer Anwendung muss sich der Landwirt jedes Mal neu reindenken. Für beide Gruppen haben wir passende Lösungen.

Wie involvieren Sie Landwirte in die Produktentwicklung?

Viele unserer Mitarbeiter im Produktmanagement und der Entwicklung sind selbst Landwirte. Das ist positiv, birgt aber auch die Gefahr, dass man aus der internen Sicht meint, den Kunden zu verstehen. Daher haben wir auch Kolleginnen und Kollegen mit einem starken methodischen Ansatz, die den Landwirten und Landwirtinnen sehr gut zuhören können. Unsere Kunden sind bei uns sehr stark beteiligt, vor allem in den frühen Phasen der Konzepterstellung.




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