
ist Chief Technology Officer (CTO) der Innocent Meat GmbH. Als Biochemiker mit starkem Hintergrund in der Prozesstechnologie hat er vor seiner Zeit als CTO Prozesstechnologien im Bereich Zelltherapie zu einem namhaften Unternehmen in Deutschland transferiert und skaliert. Zusätzlich zu seinen Kenntnissen in der Prozesstechnologie besitzt er explizite Erfahrung in der Etablierung von Expressionssystemen in gentechnisch veränderten Kulturpflanzen zur Produktion rekombinanter Proteine. Heute ist er als wissenschaftlicher Leiter der Forschung und Entwicklung bei der Innocent Meat GmbH tätig und mit Transfer und Etablierung innovativer Technologien in Prozessen zur Produktion von kultiviertem Fleisch beschäftigt.
These 2 Die Produktionsstätten müssten mit Bioreaktoren unterschiedlicher Größe ausgestattet sein, um die wachsende Zellmasse proportional mit der richtigen Menge Nährstoffe zu versorgen.
Einen komplett kontinuierlichen Prozess zu etablieren, hat noch niemand erreicht. Auch bei Reaktorvolumen von mehreren Tausend Litern mit Perfusion wird ein sogenannter „Seed Train” benötigt. Dieser beschreibt die schrittweise Erhöhung des Reaktorvolumens mit mehr und mehr Gesamt-Biomasse. Um Zellen effektiv zu vermehren, benötigt man eine gewisse Startmenge an Zellen, damit sie ein optimales Wachstum zeigen. Man kann das bildhaft mit dem Wunsch nach sozialem Kontakt unter den Zellen beschreiben. Daher diese stufenweise Skalierung. Die Zellen verteilen und vermehren sich zunächst in kleinen Plastikgefäßen. Habe ich ausreichend Zellen vermehrt, kann ich das nächstgrößere Gefäß mit der entsprechenden Mindestmenge an Zellen, die ich für dieses Volumen benötige, beladen. Setze ich die bereits erwähnte Prozessintensivierung auch schon in den kleineren Volumina an, kann ich die Anzahl der notwendigen Gefäße im Seed Train reduzieren und somit am Ende Zeit und Geld sparen.
Ein Reinraum ist ein Raum, der komplett von der Umwelt isoliert ist und eine eigene gereinigte Luftzufuhr besitzt. Zugang und Ausgang von Personen, Werkstoffen und Gasen sind streng reglementiert und kontrolliert. Innocent Meat nutzt Prozesstechnologie, die die Zellen, das Zellkulturmedium und alle weiteren Bestandteile innerhalb des Prozesses komplett von der Außenwelt isoliert. Die Produkte kommen in geschlossenen Behältern zum Prozess und können auch ohne Umweltkontakt in diesen eingespeist und wieder herausgeholt werden. Hinzu kommt der nicht vorhandene Gefährdungsgrad von kultiviertem Fleisch – einem Lebensmittel. Reinräume werden häufig verwendet, um die Produktion sauber zu halten, aber auch, um die Umwelt vor eventuellen Austritten gentechnischen oder gefährdenden Materials zu bewahren. Die Umwelt muss aber nicht vor Fleisch geschützt werden. Es geht keine Gefahr vom Produkt aus.
These 5 Abbauprodukte der Zellen hemmen das Wachstum.
Das ist ein Punkt, mit dem wir uns beschäftigen. Die Zellen produzieren Abbauprodukte, sogenannte Metabolite, genauso wie wir Menschen auch. Diese Metabolite führen bei wachsender Konzentration dazu, dass die Zellen nach einer gewissen Zeit in einem Behälter in ihrem Wachstum gehemmt werden oder sogar absterben. Die zuvor beschriebene Prozessintensivierung ermöglicht es, mit kontinuierlichem Medienwechsel (Zustrom frisches Medium und Abfuhr verbrauchtes Medium) dauerhaft für optimale Bedingungen im Reaktor zu sorgen. Zur Erhöhung der Nachhaltigkeit und zur Kostensenkung dieser Prozesse entwickeln wir eine Nährmedium-Aufbereitungsanlage. Dieses System ermöglicht die Aufarbeitung des abgeführten Mediums. Es filtert die hemmenden Metabolite heraus, Nährstoffe, die im Prozess verbraucht werden, werden wieder aufgefüllt und das Medium kann wiederverwendet werden.
These 7 Wachstumsfaktoren wie TGF-β können mehrere Millionen Dollar pro Gramm kosten. entwickelt ein skalierbares und flächendeckendes System, das von Partnern aus der Fleisch- und Lebensmittelindustrie gekauft werden kann. Diese Partner erhalten sowohl die Prozesstechnologie als auch Zellen und weitere Zutaten für die Produktion und müssen sich nicht mehr um technische Herausforderungen kümmern. Die Zellen werden bei diesem Ansatz bei Innocent Meat produziert, in hoher Dichte abgepackt und an den Partner versandt. Die abgepackten Zutaten können dann vor Ort einfach angeschlossen werden und der Prozess startet vollautomatisch per Knopfdruck. So kann man alle 7–14 Tage eine neue automatisierte Ernte vornehmen und sein eigenes kultiviertes Fleisch produzieren.
Wachstumsfaktoren und andere rekombinante Proteine für die Unterstützung des Prozesses sind ein elementarer Baustein für den Erfolg von kultiviertem Fleisch. Zahlreiche Unternehmen weltweit haben sich mittlerweile darauf spezialisiert, diese mittels Fermentation und anderer moderner Methoden kostengünstig und skalierbar herzustellen. Auch wir entwickeln hier eigene Lösungen auf Basis von Erbsenpflanzen als Produktionssystem für rekombinante Proteine. Schon heute nutzen wir im Labor einige dieser Prototypen, die bereits jetzt einen Bruchteil der ursprünglichen Kosten aus dem Pharmabereich benötigen. Die Technologie wird mit der Zeit noch deutlich effektiver und ist hervorragend skalierbar. Zusätzlicher Vorteil solcher Wachstumsfaktoren ist, dass sie in geringsten Konzentrationen eingesetzt werden. Der kritisierte Wachstumsfaktor wird üblicherweise in Konzentrationen von 0,0000001 g pro Liter eingesetzt. Diese Mengen können über solche modernen Technologien auch für große Produktionskapazitäten gut bereitgestellt werden.
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Derzeit sind wir noch nicht bei marktfähigen Preisen, deshalb halte ich mich mit Zahlen zurück. Aber unser Ziel ist, dass unser Kunde sein Roh- oder verarbeitetes Material zum selben Preis verkaufen kann wie sonst auch. Future Meat ruft einen Preis von vier Dollar für 100 Gramm auf und zeigt uns, wie weit die Technologie in den letzten Jahren gekommen ist, aber auch, dass noch ein weiter Weg zur Preisparität zu gehen ist. Gentechnik birgt in der Kostenentwicklung ein großes Potenzial. Was viele Unternehmen der Branche plagt, ist die Effizienz der Umwandlung von Stammzellen in Muskel- sowie Fettgewebe zu einem so hohen Grad, dass man eine optimale Textur erhält. Wenn man keine gentechnisch veränderten Zelllinien hat, dann gibt man den Zellen Signalstoffe, um sie dahingehend zu steuern. Diese Signalstoffe sind teuer, können über oben beschriebene Technologien aber auf lange Sicht günstiger werden. Tauscht man jedoch das Gen aus und sagt den Zellen „per Knopfdruck”, zum Beispiel durch Zugabe bestimmter Zucker, die das Gen aktivieren, dass sie sich differenzieren sollen, können die Kosten für das Medium extrem gesenkt werden. Das ist eine spannende Technologie, die hier in Europa nicht gut ankommt. Die Angst vor Gentechnik ist tief verankert. Wir werden sehen, welchen Weg die Technologien weltweit einschlagen werden.