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Bericht an den Bundestag

Ein Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag zum Potenzial von kultiviertem Fleisch zeigt unter anderem Defizite in der öffentlichen Forschungsförderung auf.

Luca Bravo/Unsplash

Neben der Expertise und Erfahrung bei der Herstellung von Technologien und Maschinen hat Deutschland auch die besten Voraussetzungen, zelluläre Landwirtschaft mit konventioneller Landwirtschaft zu verbinden.
Florentine Zieglowski, Co-Founderin RESPECTfarms und General Managerin bei CellAg Germany
Florentine Zieglowski steckt mittendrin in der Etablierung der Kulturfleischindustrie in Deutschland. Dafür hat sie es sich mit dem Projekt RESPECTfarms zum Ziel gesetzt, Landwirt:innen abzuholen, Potenziale für ihre Arbeit aufzuzeigen und letztendlich in die neue Branche einzubinden – eine wesentliche Aufgabe, wenn es um die Transformation der Lebensmittelwirtschaft und Etablierung von Kulturfleisch geht. Das zeigt auch der Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag zum Potenzial von Kulturfleisch: 5 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen gehen auf die Tierhaltung zurück, wobei die landwirtschaftlichen Emissionen sich auf rund 8 Prozent belaufen. Hinzu kämen Belastungen durch „Emissionen aus dem Anbau von Futter, der Verarbeitung in der Lebensmittelindustrie, dem Transport tierischer Lebensmittel und Lebensmittelabfällen“.
Was laut Bericht für eine Industrie rund um die Kultivierung von Proteinen spricht
  • Die Reduktion von Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung 
  • Weniger klimaschädliche Treibhausgase 
  • Die Eliminierung von Krankheitserregern (Pathogenen)
  • Senkung des Risikos, infektiöse Krankheiten auf den Menschen zu übertragen
  • Sicherung eines stabilen Ernährungssystems (Wetterunabhängigkeit)
  • Keine Ausbeutung und Schlachtung von Lebewesen in Massentierhaltung
Zum Bericht geht es hier.

Dass es hier Verbesserungsbedarf gibt, ist nichts Neues, wohl aber dass in diesem Kontext das Potenzial von Kulturfleisch betrachtet wird. Der Auftrag für den Bericht kam vom Parlament. Die Politik meldete sich online auch bereits zu Wort. Renate Künast und Zoe Mayer (Bündnis 90/Die Grünen) gaben beide kurze Statements ab, in denen sie die Notwendigkeit zur Betrachtung der Branche hervorheben. Für Zoe Mayer steht dabei fest, dass Zellkulturfleisch als Transformationshebel für Umwelt, Klima, Gesundheit, Tierschutz und globale Ernährung wirken kann:
Dafür braucht es entsprechenden Gestaltungswillen. Die Frage ist nicht, ob zellkultiviertes Fleisch kommt, sondern wie. Und ob wir als Land vorangehen wollen.
Zoe Mayer, Bündnis 90/Die Grünen

Mosa Meat

Die Politik hatte das Thema kultiviertes Fleisch bislang nicht wirklich auf dem Radar. Es ist gut und wichtig, dass nun etwas Bewegung in die Sache kommt und man anfängt, sich mit dieser Sprunginnovation zu beschäftigen.
Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Professur für Wirtschaft und Ethik Universität Vechta

Dass sich auf politischer Ebene etwas regt, wird von der Branche und ihren vielfältigen Akteuren wohlwollend zur Kenntnis genommen. Unter ihnen befindet sich auch Prof. Dr. Nick Lin-Hi von der Uni Vechta. Für ihn steht fest, dass es eine zeitnahe Investitions- und Forschungsoffensive in diesem Bereich braucht, "da anderenfalls Deutschland ein zweiter Tesla-Moment droht".
 
Dass Investitionen in die Branche zentral sind, zeigt auch der Bericht. Es wird festgestellt, dass Deutschland – obwohl im Bereich Biotechnologie gut aufgestellt – im internationalen Vergleich deutlich weniger investiere. Zudem müsse an der "Ausgestaltung von Zulassungsvoraussetzungen bzw. -anforderungen für die Inverkehrbringung zellkulturbasierter Produkte auf nationaler Ebene" auf Seiten der Politik gearbeitet werden. Hierzu zähle auch die Frage, ob Kulturfleisch künftig als Fleisch deklariert werden darf.
 
Das Good Food Institute Europe gab noch am Mittwoch online in einem Blogbeitrag Ideen für Handlungsfelder bekannt, um die im Bericht aufgeführten technischen Herausforderungen anzugehen:
 
  • Bund und Ländern sollten die Forschungsförderung im Bereich kultiviertes Fleisch deutlich ausweiten, zum Beispiel mit entsprechenden Forschungsaufrufen.
  • Der Bund sollte ein öffentlich finanziertes Forschungszentrum gründen, das die im Bericht genannten technischen Herausforderungen angeht.
  • Bund und Länder sollten die Unternehmen beim Skalieren der Produktion unterstützen, indem sie kapitalintensive Infrastrukturinvestitionen absichern. 
  • Die Politik sollte Beratungsangebote für Unternehmen schaffen, die eine Zulassung von kultiviertem Fleisch nach dem Novel-Food-Verfahren anstreben.
Für das international renommierte Institut steht fest, dass Deutschland grundsätzlich alles mitbringt, was es braucht, um "zu einem globalen Innovationsführer zu werden". Auf Rückfrage, wo Deutschland am meisten Potenzial hat, erwidert Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager Deutschland bei GFI Europe, die Bundesrepublik habe beste Voraussetzungen dafür, in allen Teilen der Wertschöpfungskette für kultiviertes Fleisch Innovationsführer zu werden:
als Agrarland beim Anbau der Rohstoffe, zum Beispiel für die Nährmedien, und als Industrieland bei der Herstellung von Maschinen und Technologien für die Zellkultivierung, zum Beispiel von Fermentern. Schon heute ist Deutschland sehr stark in diesen vorgelagerten Teilen der Wertschöpfungskette.


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