Länderspezial Singapur

Unternehmertum auf der Staatsagenda

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Es war ein Biss, der für die berufliche Laufbahn und das Leben von Timo Recker entscheidend war. Mit gerade einmal 23 erkannte der Jungunternehmer in London bei eben diesem Biss in ein veganes Schnitzel, dass Proteinproduktion auch anders als im familieneigenen Fleischbetrieb geht. Heute sitzt der Jungunternehmer im 10.000 Kilometer entfernten Singapur. Er ist per Videochat zugeschaltet. Die Uhr tickt, 30 Minuten kann der Pionier entbehren, bevor er mit seiner „Mission Plant Based“ weitermacht. Er ist viel unterwegs, um seine Idee der Ernährung einem globalen Verbraucher zugänglich zu machen. Gerade erst war er wieder einmal in London, davor in seinem Heimatland Deutschland. Singapur aber ist seine Wahlheimat. Der Stadtstaat bietet für Recker die optimale Umgebung mit den besten Bedingungen für die Entstehung seines Beitrags zum Klimaschutz: pflanzenbasiertes Hühnchen namens Tindle.


Testballon Europa
Zwischen dem ersten Biss und Tindle aber liegt eine ganze Dekade Erfahrung. 2013 bereits entstand im beschaulichen Wetschen in Niedersachsen LikeMeat, unter dessen Namen es ein bunter Strauß Ersatzprodukte als Like Chicken, Like Schnitzel oder etwa Like Bacon bis ins Kühlregal der Supermärkte schaffte. Dort liegen die Produkte auch heute noch – nur nicht mehr unter Regie von Recker. 2019 kam der Exit und Verkauf an Livekindly. Europa war ein erfolgreicher Testballon, der aber im Kontext Business Environment für Recker platzte. Die nächste Station musste her. „Ich habe viel in Europa gelernt, wusste aber, um ein globales Unternehmen aufzubauen, muss ich in die Vereinigten Staaten oder nach Asien“, erklärt Recker.

Im Herzen Asiens 
„Der Fleischmarkt ist global, Klimawandel ist ein globales Problem, wir müssen also ein globales Unternehmen sein“, führt Recker die Beweggründe für die Wahl des Business-Standorts weiter aus. Am Ende war es dann der Global Hub Singapur, der ihn überzeugte. Denn die Smart City ist nah dran an vielen der wichtigsten Absatzmärkte in Asien. Immerhin 50 Prozent des globalen Fleischkonsums sind dort verortet. Aus Singapur ging es für Tindle in Restaurants nach Hongkong, Japan, dann in den mittleren Osten nach Dubai und Abu Dhabi, bis es das pflanzenbasierte Hühnchen schließlich auch nach Europa und Amerika schaffte. Wichtig für Recker aber war der Startschuss in Singapur: „Es gibt hier keinen großen Binnenmarkt. Wir treffen auf eine vielfältige Kultur und Kulinarik, wodurch wir unsere Produkte sehr gut testen und weiterentwickeln können“, führt Recker aus. Dann aber müsse man raus. In Deutschland und anderswo ginge das nicht so schnell wie im zentralen und gut vernetzten Singapur. Die „30 by 30“-Strategie des Landes gab dann den entscheidenden Ausschlag. 

Unternehmertum auf der Staatsagenda 
Die regierungseigene Holdinggesellschaft Temasek hat den Aufbau der Marke Tindle nicht nur finanziert, sie hat darüber hinaus den Ausbau der Forschung und Entwicklung, die Etablierung einer Produktion sowie Infrastruktur unterstützt. „Es ist schon eine sehr fortschrittliche Insel. Die Menschen hier sind sehr strategisch. Das findet man so in Deutschland oder anderswo nicht“, resümiert Recker. Fortschrittlichkeit, die nicht nur auf der Offenheit der Regierung beruht. Das Business Environment insgesamt sei „super easy“. Sprachbarrieren gebe es kaum, alles sei super organisiert, effizient und digital. Kein Wunder, dass laut Recker immer mehr Unternehmen der Branche sich im Smart Protein Hub niederlassen. 2020 noch gab es wohl nur wenige Unternehmen. Heute bildet sich durch die von Temasek initiierte „Asia Sustainable Food Platform“, bei der auch NextGen Partner ist, ein neues Ökosystem. Ob Unternehmen Fleisch kultivieren oder auf Basis von Pflanzen produzieren, sei egal. „Es kommen immer mehr Gründer. Wir haben diese Entwicklungen mit angetrieben und genießen derzeit auch ein bisschen First Mover Advantage“, freut sich Recker über die Stellung von NextGen am Markt. 
Tindle Close-up

70 Mitarbeitende arbeiten mittlerweile am Tindle-Erlebnis. Im Kern des Produkts stecken neben einer Handvoll anderer Zutaten Soja- und Weizenprotein. Der Launch in Gastronomien ist dabei Teil der Tindle-Strategie, über ein gut durchdachtes Kundenerlebnis und Brand Building den Markt zu erobern. In Dubai hat es Tindle so in ein Restaurant mit Michelin-Stern geschafft. Als Nächstes soll es für das Ersatzprodukt in die weltweiten Supermarktregale gehen. 

Name it
Der Name der Marke Tindle geht auf den irischen Wissenschaftler John Tyndall zurück, der den Zusammenhang von CO2 und dem Treibhauseffekt entdeckte.

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